Montag, April 18, 2005

Nachts

Wenn es dunkel wird in Reykjavik, kann man so einiges erleben. Von einer sonderbaren Begegnung eines Abends muß ich mit einer Metapher beginnend berichten. Stellt Euch einen Jäger vor, der auf seinem Hochsitz nach Wild Ausschau hält. Tief im Gras versteckt ist ein Rehlein, sich der Gefahr bewusst und denkt nach. Es kommt zu dem Schluß, dass es durchaus eine reelle Chance hat, wenn schon nicht unbemerkt, so doch zumindest ungesehen, zu entkommen. In etwa auf diese Weise



Doch der Jäger erblickt es und ein Schuß beendet die Stille. Tja, so hat sich das arme Rehlein getäuscht, durchaus fatal, ja sogar letal. Nun bitte ich Euch an Stelle des Rehs meine nackte ca. 70 Jährige Vermieterin vorzustellen, die mich die Treppe hochkommen hörte und ebenso der Meinung war, noch schnell ins Schlafzimmer zu huschen, wie das Reh dachte zu entkommen. Zu meinem Entsetzen hat sie es nicht geschafft. In einer Mischung aus flüchtendem Reh und einem Bühnenauftritt von Otto Walkes huschte sie durch mein Blickfeld. Nach anfänglichem visuellem Schock meinerseits kamen mir doch recht bald die Tränen vor Heiterkeit, ob der wahrlich abstrusen Situation. Bilder gibt’s - zum Glück – keine.

Doch nun zu den schönen Seiten der Nächte auf Island. Abends bietet sich einem ein Wechselspiel der Farben durch die langsam im Atlantischen Ozean untergehende Sonne, das bis ins Herzen von Reykjavik, der guten alten Laugavegur, zu sehen ist



Im Übrigen ist diese Strasse besonders beliebt; so versuchen die Isländer zumeist Abends auf der einspurigen Einbahnstrasse einen Stau zu veranstalten und schaffen es so zumindest auch in Island ein Verkehrschaos zu veranstalten. Hintergrund dieser Aktion ist jedoch vielmehr ein Sehen und gesehen werden zumeist junger Menschen mit ihren Autos. Viele dieser Pappenheimer sehe ich wirklich täglich die Lauga entlang cruisen, insbesondere mein Freund mit der Cobra. Mal sehen, evtl. hab ich Glück und kann ihn mal für Euch fotografisch festhalten.



Nachdem man sich mit dem Auto gezeigt hat, beginnt nun Teil zwei des Partyabends. Einkaufen. Und zwar in der staatlichen Vinbuð, einem Laden, wo es all die guten und teuren Sachen gibt. Diese Läden haben ein wenig den Charme von Beathe Uhse Shops. Mit verstohlenen Blicken verlässt man den Laden, in der Hoffnung nicht all zu viel Aufsehen ob seines Großeinkaufs gemacht zu haben.



Übrigens, bis Anfang der 90er Jahre war hier noch Bier illegal, lediglich die Deutsche und Österreichische Botschaft durften diese kleine Kostbarkeit ausschenken. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass die Empfänge dort äußerst beliebt waren.

Gut gestärkt sucht man nun eine Lokalität seiner Wahl aus, in der meistens eine Band live spielt. Ich bin dann mit ein paar Leuten in das NASA gegangen, wo die in Island sehr bekannte und beliebte Band Trabant zum Tanz aufspielte.



Leider stellen sich die Isländer was fotografieren in den Lokationen an geht ziemlich quer. So ist dies mit der abenteuerlichen Begründung verboten, es wären so viele Prominente da, die nicht gestört werden wollen. Bei ca. 120.000 Einwohnern scheint fast jeder prominent zu sein; dies geht hier halt was schneller. Also musste ich heimlich fotografieren.



Wer sich jetzt wieder denk, ah der Wiegand, wieder nur die Frauen vor der Linse, dem sei gesagt, dies ist ein Mann, die Frauen sind erst mit der nächsten Vorband zu sehen:



„Donna Mess“, eine wirklich abgefahrene electro music Band, die minimalistischen Electrosound aus dem Mac mit einer Gesangs-und Tanzperformance kombinierten. Das wäre doch was für unseren guten Freund Atomu! Die Hauptband Trabant bestach dann in einem Misch aus unerträglichen Pop bis hin zu grandiosem e-Music Avantgarde style.



Die Isländer neigen wirklich dazu, jeden Trend aufzunehmen und dann dermaßen übertrieben zu interpretieren, dass man sich ein schmunzeln nicht verkneifen kann. Diese Tendenz wurde mir dann auch von verschiedenen Seiten bestätigt, mit der Begründung dies sei ein „Inseltrauma“. Man versucht mit allen Mitteln davon abzulenken, dass man letzten Endes auf einer Insel lebt, die relativ isoliert ist. Jeder Trend wird daher dankbar als Flucht über die Grenzen der Insel aufgenommen. Auf den Herrentoiletten standen dann auch etliche Jungs vor dem Spiegel, um sich zu stylen oder man unterhielt sich ganz ohne Harndrang auf dem WC. Dieses kannte ich bis dato nur von der Krönung der Schöpfung, der Damenwelt. Aber Trend sei Dank, das Bier welches unsere Fahne wehen lässt, ist Becks. Kostet zwar 700 Kronen, also 9 €, aber um mehr Arbeit in Deutschland zu schaffen ist einem dies schon wert



Die Konzerte beginnen zumeist gegen 23:30 Uhr und enden um 2:30. Anschließend geht man nach Downtown, welches sich ca. 3! Gehminuten von dem bisherigen Veranstaltungsort entfernt befindet. In den dortigen Bars wird wieder gerockt und getanzt und getrunken, was das Zeug hält. Feiern können die hier ganz gut, dem kann ich nichts hinzufügen. Speziell die Live-musik Kultur, mit der jeder Abend beginnt, gefällt mir ganz gut und stellt einen angenehmen Kontrast zu den Konserven-CD-DJ-Parties in Deutschland dar.
Sehr gut gefiel mir das aus dem Film 101 Reykjavik bekannte Kaffibarinn, in dem – natürlich – fotografieren verboten ist. Trotzdem, seht selbst:



Gemütlich geht’s auch im Ölstofa zu, bei angenehmen Preisen von 500 Kronen, ca 7 €, für ein 0,4l Bier.





Wenn man eine Familie in Island besucht, darf es einen nicht verwundern, wenn die Nachnamen alle unterschiedlich sind. Meistens fällt dies auch nicht weiter auf, so spricht man sich generell mit Vornamen an. Die Einträge des isländischen Telefonbuchs sind daher auch nach den Vornamen sortiert. Ein kurzes Beispiel zur isländischen Namensgebung. Wäre Prinz Charles Isländer, so hieß er mit Nachnamen Phillipsson und Camilla nicht Parkerson sondern Vorname des Vaters plus dottir hinten dran. Die Kinder dieser und auch der vorherigen Beziehung Charles hießen mit Nachnamen Charlesson – auf dem Dach – bzw. Charlesdottir. Der Nachname richtet sich immer nach dem Vornamen des Vaters. In den 60er Jahren war es hier für Ausländer, die hier leben wollten, Pflicht, einen isländischen Namen nach dem oben beschriebenen Vorbild anzunehmen. Doch genug zur Landeskunde zurück zur Nacht, der Polarnacht.

Letzten Montag war es nachts sehr kalt, ca -10 Grad, und Dank des stürmischen Nordwindes kam es zu einem sternenklaren Himmel, der mir folgenden Blick von meiner kleinen Kochecke bot



Die Nordlichter, Aurora Borealis. Die schon angelegte Schlafgarnitur wieder ablegend schnappte ich mir meinen Fotoapparat, um gegen 12:30 wieder hinaus in die kalte Nacht zu gehen. Da man weiter unten am Atlantik weniger Lichteinflüsse hatte, versprach ich mir dort bessere Bedingungen, ein solches Schauspiel zu beobachten. Während meines ca. 20 minütigen Fußmarsches sah ich das Nordlicht als Streifen am Firmament. Am Atlantik angekommen, begann es wie ein Schleier im Wind zu schweben.





Ein wirklich fantastischer Anblick, sehr mythisch und beeindruckend. Als ich alle Fotos gemacht hatte und mich entspannt dem Sturm aussetzte, um die Polarlichter zu sehen, verabschiedeten sie sich langsam, gerade so, als ob sie mich von der Küche gelockt hätten, um mir am Atlantik dieses Schauspiel zu bieten. Und da soll man nicht an Elfen und Trolle glauben ;-) Die Stadt schien nun wieder zu schlafen, um wieder Kraft für neue Überraschungen zu tanken.

5 Comments:

Anonymous Anonym said...

Lieber Kristian,

isländische Großwildjagd - sehr gelacht bei der Jagd auf politisches Großwild im tristen Bonn!

Alles Gute
mik

1:28 PM  
Anonymous Anonym said...

einfach wunderbar und komisch.
knutsch dich

lena

1:53 PM  
Anonymous Anonym said...

Salut cher voisin,
ich bin begeistert von Island, vor allem von der Nacht. Vielleicht schaffst Du es ja mir einen kleinen Elfen oder Troll mitzubringen bzw hier nach Deutschland hereinzuschmuggeln. Das mit den Namen ist auch super interessant, aber laufen auch Leute auf der Straße rum? Die Straßen sehen irgendwie so leer aus...
Gros bisous aus der Hauptstadt
Rayane

9:08 PM  
Anonymous Anonym said...

Herr Nachbar,
auch in down under wird herzhaft über den exelenten Bericht von der Pirsch gelacht!
Tolle Bilder der nächtlichen Lichter.
Beste Grüße aus dem (tief) unter dir liegenden Sydney.

Der Horst S.

4:10 PM  
Anonymous Anonym said...

Mojn Kiki,

was ich noch sagen wollte... FC ist aufgestiegen, mit Alex Bade im Tor!!

Wenn Du wieder kommst, wartet ein halbes Hähnchen auf Dich! Ansonsten tolle Bilder!

Gruß Rolf

PS.: Kamaraden, Kamaräder, Fahrräder ...

kontakt@landgasthaus-herchenbach.de

10:58 PM  

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